Review of the photobook Cat on a leash by Ronja Falkenbach, written by Fabio Ney
In the act of listening, the sounding world reveals itself as a multitude of acoustic events, each one co-existing with others. They are surrounding our bodies, traversing space and objects within it, emanating from different directions with different things to cause them, and yet they are all perceivable at once. In our experience of sound, we might focus on something specific and appreciate it while disregarding the “background noise”. We might sweep through all the sounds present in a given moment and try to define them, or we might simply hear a tapestry of sound without actively distinguishing different sounding objects. While a listener can concentrate and change his or her mode of perception, one substantial feature of sonic events is that sound spreads out without a fixed focus.
Cat on a leash translates these auditory concepts into a visual one, when Ronja Falkenbach, driven by a way of knowing through images, uses a 35 mm point-and-shoot camera to grasp and determine her experience with the subject at hand: Seoul’s lively electronic music culture. Using the on-camera flash, she partly concentrates on clear details, be it the materiality of a club’s interior, a moment of dancing-ecstasy or an artistic tattoo on the back of someone’s head, while also dealing with the flow and ubiquitousness of situations, people, and the condensed social cohesion they’re experiencing by making use of time exposure in wild, picturesque images of moving bodies and light effects on the dance floor. Just like sound affecting any material around it, flowing around corners and into voids, Falkenbach’s photographs don’t focus on a specific location or character, but instead comprehensively examine transnational phenomena, namely electronic music played, listened and danced to in underground clubs. Through many aspects of nightlife, from the street food before a night out to the skyline rising up into the first light of day, we find hints of the uniqueness of cultural life in the city of Seoul, and yet these sceneries suggest a general representation of urban lifestyle in western or Westernized metropolises.
The use of a point-and-shoot camera unifies intentionality with coincidental extractions of a seemingly never-ending night, thus fusing a subjective, biographical story with an insight into universal memories and dreams of a young generation. As these images are taken in a context of music, it is worth appreciating the phenomenological nature of images always showing part of something but simultaneously suggesting more than can actually be seen. In Cat on a leash, looking at photography might stir acoustic memories, depending on the overlap of the viewer's experience and the book’s content. Thus, it can be read as an attempt of transforming the excitement of music into still images.
Sound coming out of a club’s soundsystem could be described as mediated immediacy – hearing a song played live by a band produces a more direct experience of the acoustic material than hearing that same song being played back by a DJ in a club, each event having its own qualities, one is not superior to the other. Mediated immediacy is also part of Falkenbach’s narrative. The immediacy is constituted by the individual relation between viewer and picture, the mediated consists of the music, the atmosphere, the spaces, the people and the author’s memories - all of which we can only get a clue of. What we see is joined by our own thoughts and experiences. This associative process is addressed by use of photographs printed on stickers, which are subsequently put on different pages throughout the book. The fascination of keeping a moment on film and thereby conserving it is juxtaposed by the rather short-living nature of stickers, which put the photographer's representational quality up for discussion.
In the end, Cat on a leash deals with abstraction and alteration. If a dancing body or a throbbing crowd becomes a still figure in the light of a flash, are we dealing with an artifact of movement, a notion of music, or a new idea in its own right? How can something as vibrant as club culture be translated into a different format, detached from direct experience? The answer lies within the process of transformation, the outcome has to become something new, something independent. Cat on a leash is an autobiography as much as it displays shared meanings. While based on being affected by and the affection for sound and techno music respectively, it explores the power of the image – the epistemic value of photography. Ultimately, it’s up to the viewer to either rush through the nights in ecstasy, merging the pictures into a movielike continuum, or to appreciate each fragment for its own beauty.
Eine Besprechung des Fotobuchs Cat on a leash von Ronja Falkenbach, verfasst von Fabio Ney
Im Akt des Hörens offenbart sich die Welt der Klänge als eine Vielzahl akustischer Ereignisse, die nebeneinander bestehen. Sie umgeben unsere Körper, durchqueren den Raum und die Objekte darin, gehen von verschiedenen Quellen aus und haben unterschiedliche Ursachen – und doch sind sie alle gleichzeitig wahrnehmbar. In unserer Klangerfahrung können wir uns auf etwas Bestimmtes konzentrieren und es wertschätzen, während wir die „Hintergrundgeräusche“ ausblenden. Wir können alle in einem Moment präsenten Klänge durchmustern und versuchen, sie zu definieren, oder wir können einfach einen Klangteppich hören, ohne aktiv zwischen verschiedenen Klangquellen zu unterscheiden. Während ein Hörer seine Wahrnehmung konzentrieren und verändern kann, bleibt ein wesentliches Merkmal von Schallereignissen, dass sich Klang ohne einen festen Fokus ausbreitet.
Cat on a leash übersetzt diese auditiven Konzepte in eine visuelle Form. Geleitet von der Suche nach Erkenntnis durch Bilder, nutzt Ronja Falkenbach eine 35-mm-Point-and-Shoot-Kamera, um ihre Auseinandersetzung mit dem Thema zu erfassen und zu deuten: Seouls lebendige elektronische Musikkultur. Mithilfe des eingebauten Blitzes konzentriert sie sich teils auf klare Details – sei es die Materialität eines Club-Interieurs, ein Moment tänzerischer Ekstase oder ein kunstvolles Tattoo auf einem Hinterkopf. Gleichzeitig verarbeitet sie den Fluss und die Allgegenwart von Situationen, Menschen und dem verdichteten sozialen Zusammenhalt, den sie erfahren, indem sie Langzeitbelichtungen für wilde, malerische Bilder von bewegten Körpern und Lichteffekten auf der Tanzfläche einsetzt. So wie Klang auf jedes Material in seiner Umgebung einwirkt, um Ecken und in Leerräume fließt, konzentrieren sich Falkenbachs Fotografien nicht auf einen bestimmten Ort oder Charakter. Stattdessen untersucht sie umfassend das transnationale Phänomen: elektronische Musik, die in Underground-Clubs gespielt, gehört und zu der getanzt wird. Durch viele Aspekte des Nachtlebens, vom Streetfood vor dem Ausgehen bis zur Skyline, die sich im ersten Licht des Tages erhebt, finden wir Hinweise auf die Einzigartigkeit des kulturellen Lebens in Seoul. Und doch deuten diese Szenerien eine allgemeine Darstellung des urbanen Lebensstils in westlichen oder verwestlichten Metropolen an.
Die Verwendung einer Point-and-Shoot-Kamera verbindet Intentionalität mit zufälligen Ausschnitten einer scheinbar endlosen Nacht und verschmilzt so eine subjektive, biografische Erzählung mit einem Einblick in universelle Erinnerungen und Träume einer jungen Generation. Da diese Bilder im Kontext von Musik entstehen, verdient die phänomenologische Natur von Bildern Beachtung, die stets nur einen Teil von etwas zeigen, aber gleichzeitig mehr andeuten, als tatsächlich zu sehen ist. Beim Betrachten von Cat on a leash können, je nach Überschneidung der Erfahrungen des Betrachters mit dem Inhalt des Buches, akustische Erinnerungen wachgerufen werden. So kann das Buch als Versuch gelesen werden, die Energie der Musik in stehende Bilder zu verwandeln.
Klang, der aus den Lautsprechern eines Clubs kommt, könnte als vermittelte Unmittelbarkeit beschrieben werden – ein live von einer Band gespielter Song erzeugt eine direktere Erfahrung des akustischen Materials als derselbe Song, der von einem DJ im Club wiedergegeben wird. Jedes Ereignis hat seine eigenen Qualitäten, keines ist dem anderen überlegen. Vermittelte Unmittelbarkeit ist auch Teil von Falkenbachs Narration. Die Unmittelbarkeit entsteht durch die individuelle Beziehung zwischen Betrachter und Bild; das Vermittelte besteht aus der Musik, der Atmosphäre, den Räumen, den Menschen und den Erinnerungen der Autorin – von all dem bekommen wir nur eine Ahnung. Zu dem, was wir sehen, gesellen sich unsere eigenen Gedanken und Erfahrungen. Dieser assoziative Prozess wird durch den Einsatz von Fotografien aufgegriffen, die auf Aufkleber gedruckt und anschließend auf verschiedenen Seiten im Buch platziert werden. Der Faszination, einen Moment auf Film festzuhalten und ihn dadurch zu konservieren, wird die eher kurzlebigen Natur von Aufklebern gegenübergestellt, was die darstellerische Autorität der Fotografin zur Diskussion stellt.
Letztlich beschäftigt sich Cat on a leash mit Abstraktion und Verfremdung. Wenn ein tanzender Körper oder eine pulsierende Menge im Blitzlicht zu einer stillen Figur wird, haben wir es dann mit einem Artefakt der Bewegung, einer Ahnung von Musik oder einer eigenständigen, neuen Idee zu tun? Wie kann etwas so Lebendiges wie Clubkultur in ein anderes Format übersetzt werden, losgelöst von der direkten Erfahrung? Die Antwort liegt im Prozess der Transformation: Das Ergebnis muss etwas Neues, etwas Unabhängiges werden. Cat on a leash ist ebenso eine Autobiografie wie eine Darstellung geteilter Bedeutungen. Basierend auf dem Ergriffensein von und der Zuneigung zu Klang und Technomusik, erforscht das Buch die Macht des Bildes – den epistemischen Wert der Fotografie. Schließlich bleibt es dem Betrachter überlassen, ob er rauschhaft durch die Nächte eilt und die Bilder zu einem filmartigen Kontinuum verschmelzen lässt oder jedes Fragment für seine eigene Schönheit wertschätzt.